Können wir das Altern verlangsamen?
Wir alle werden älter. Zuerst ist das kaum spürbar und steht nur auf dem Papier, weil der nächste Geburtstag naht. Aber im Laufe der Zeit, so ab Mitte 40, 50, macht es sich dann doch bemerkbar – außen, wie innen. Daher hat die Menschheit schon immer versucht, dem Altern zu entgehen. Heute forscht die Wissenschaft an Möglichkeiten, Alterungsprozesse zu verlangsamen, denn sie ganz aufzuhalten ist bisher noch niemand gelungen, obwohl man hier und da inzwischen sogar von der Forschung an der Unsterblichkeit liest.
Wichtig bei allen „Anti-Aging“-Faktoren (besser wäre der Begriff „Well-Aging“, also „gutes Altern“) ist, dass sie umso mehr bringen, je früher man damit anfängt. Es ist immer leichter, vorzubeugen, als zu bohren, wie es in früheren Werbesendungen schon hieß.
Was passiert beim Altern eigentlich genau?
Altern an sich ist ein komplexer Prozess, bei dem viele Faktoren zusammenkommen, wie genetische Prozesse (inkl. „guter Gene“), Lebensstil (Ernährung, Bewegung, Stress usw.) und diverse Belastungsfaktoren (Infektionskrankheiten, Umwelt usw.).
Auf genetischer Ebene ist Altern ein Vorgang, bei dem sich die Telomere der Chromosomen der Zellen immer mehr verkürzen, bis die Zelle schließlich abstirbt. Bei jeder Zellteilung verkürzen sich die Telomere. In etwa so wie früher bei den Wehrpflichtigen, die hatten meist für die letzten 100 Tage ein Maßband dabei, bei dem jeden Tag einen Zentimeter abgeschnitten wurde, bis die Wehrpflichtzeit vorbei war. So ähnlich funktionieren die Telomere. Bei jeder Zellteilung verkürzen sie sich. Sind sie weg, ist die Zelle an ihrem Lebensende angekommen und stirbt.
Einfach gesagt, haben junge Menschen viele Zellen mit langen Telomeren, während alte Menschen viele Zellen mit kurzen Telomeren haben. Das ist aber nur ein Teil der Wahrheit. Wie oft sich eine Zelle teilt, hängt unter anderem davon ab, wie sehr sie belastet wird bzw. wie oft Zellschäden repariert werden müssen. Eine Hautzelle beispielsweise, die häufig geschädigt wird – wie durch zu viel Sonne oder chemische Einflüsse – muss sich häufiger teilen und erneuern als eine Zelle, die weniger geschädigt wird. Das ist der Hauptgrund, warum die Gesichtshaut bei den meisten Menschen älter aussieht, als die Haut am Körper: Das Gesicht ist in unserer Kultur mehr Umwelteinflüssen ausgesetzt, als der Rest des Körpers, den wir meist bedecken. (Exzessive Sonnenanbeter und Sonnenanbeterinnen sehen dagegen oft überall alt aus, der Preis für die nahtlose Bräune in der Jugend).
Gelingt es also, die Zellschäden zu verringern und/oder die Verkürzung der Telomere zu bremsen, verlangsamt sich die Alterung.
Was folgt daraus?
Das bedeutet, es gibt zwei Ansatzpunkte, zwei Stellschrauben, an denen wir drehen können. Für unsere Gene, also unsere Erbanlagen können wir nichts, die haben wir von unseren Eltern geerbt. Deshalb leben manche Menschen von vorneherein länger oder bleiben länger gesund als andere, obwohl sie nicht gesünder leben. Aber egal, ob nun „Supergene“ oder nur „Normalgene“ – beide können besser oder schlechter genutzt werden. Die Epigenetik ist die Lehre der „Nutzung“ der Gene, also welche unserer Erbanlagen sich im konkreten Leben auswirken. Ein Beispiel: Jemand hat eine familiäre Veranlagung zu Herzkrankheiten. Diese muss nicht zu einem frühen Herzinfarkt führen, erhöht aber die Anfälligkeit dafür. Wenn die Person dann auch noch raucht, schlägt die Veranlagung zu. Ein anderer hat diese Veranlagung nicht – und bekommt trotz Rauchen keinen Infarkt (würde aber trotzdem gesünder leben ohne Rauchen). Anders gesagt: Es gibt den vererbten Werkzeugkasten. Aber welche der vererbten Werkzeuge im Laufe des Lebens zum Einsatz kommen, das bestimmt zu großen Teilen die Lebensweise. Vielleicht kommt der Hammer (z.B. Risiko für Herzinfarkt) nie zum Einsatz, wenn es keine Nägel (z.B. Rauchen) gibt, die er einschlagen müsste.
Als günstig für ein langes gesundes Leben haben sich folgende Lebensstil-Faktoren erwiesen:
- Möglichst tägliche Bewegung, gemeint ist hier jedoch nicht Leistungssport (denn der führt zu vermehrter Radikalbildung und erhöhter Verletzungsgefahr).
- Eine überwiegend pflanzliche Ernährung (Gemüse, Nüsse, Samen, wenig Fleisch und wenig Zucker und Getreideprodukte), beispielsweise Mittelmeer-Kost.
- Zurückhaltung bei Genussmitteln (Alkohol, Süßkram, Rauchen, Drogen – aber auch Medikamenten)
- Balance zwischen Anspannung und Entspannung.
Es gibt darüber hinaus noch weitere Faktoren. Interessant ist, dass auch Fasten bzw. Zurückhaltung bei der Nahrungsaufnahme lebensverlängernd wirkt. In zahlreichen Studien an Tieren zeigte sich, dass Tiere, die dauerhaft weniger als die normale Nahrungsmenge zu sich nahmen, bis zu 30% länger lebten. Beim Verdauen entstehen Abfallprodukte, wie die AGE’s (verzuckerte Proteine = „Schlacken“), die den Stoffwechsel belasten und Alterungsprozesse fördern. Auch erhöht sich beim Fasten die Fähigkeit zur Selbstreinigung des Organismus. Verbrauchte Zellen, zelluläre Abfallstoffe (Laien nennen das gerne „Schlacken“) werden durch die freiwerdenden Verdauungskräfte schneller abgebaut. Man nennt das Autophagie. Ein ständig satter Organismus dagegen wird in seiner Abfallbeseitigung gehemmt, er ist ständig mit dem Verdauen beschäftigt – und das fördert die Zellalterung.
Man führt dieses Phänomen auf die Tatsache zurück, dass die meisten Lebewesen auf diesem Planeten mit Nahrungsmittelengpässen, zumindest von Zeit zu Zeit, zu kämpfen haben. Anders gesagt: Ständig satt zu sein, war und ist für die meisten Lebewesen ein Wunschtraum, auch für unsere Vorfahren. Daher kommt übrigens die Fantasie des „Schlaraffenlandes“, in dem einem die gebratenen Tauben in den Mund fliegen – und man dabei auf der faulen Haut liegen kann. Denn genau das, war für unsere Vorfahren wirklich nur ein Traum, die Realität sah anders aus und war durch harte Arbeit – und häufige Nahrungsengpässe sprich erzwungene Fastenzeiten geprägt, außer für den Adel – der deshalb auch alle möglichen Zivilisationskrankheiten ausbrütete. So wie wir…
Heute dagegen ist Hunger in den Industrienationen unbekannt – und kommt allenfalls in der Werbung als kleiner Hunger zwischendurch vor, was aber eher Gelüste bedeutet, als tatsächlichen Hunger, wie ihn unsere Vorfahren kannten.
Was können wir außerdem noch tun?
Es gibt aber auch eine Reihe von Vitalstoffen, die ebenfalls nachweislich die Lebensdauer der Zellen bzw. die Länge der Telomere günstig beeinflussen. Diese werden zur Zeit intensiv erforscht. Es handelt sich um Fasten-Nachahmer-Stoffe, die ähnlich wirken wie Fasten. Der Mensch verzichtet nun mal nicht gerne auf einen vollen Magen, wenn er den leicht füllen kann, wie das heute so üblich ist.
Zu diesen Stoffen gehören u.a. Quercetin, Fisetin, Spermidin, Q10, NADH+ und Taurin. Sie alle steigern den Energiestoffwechsel der Zellen und teilweise auch die Abfallentsorgung der Zellen, ähnlich, wie das auch beim Fasten geschieht. Natürlich kann man die Einnahme von Stoffen und das Fasten kombinieren, was die Effekte steigert. Das Intervallfasten (auf Frühstück, Mittagessen oder Abendessen verzichten) ist beispielsweise eine Fastenform, die man dauerhaft praktizieren kann. Oder das klassische Heilfasten für einige Tage als jährliche Kur unter professioneller Begleitung.
Spermidin ist besonders reichlich in fermentierten Weizenkeimen enthalten (Vollgran Weizenkeime, 1kg ca. 13 EUR). 10g Vollgran-Weizenkeime (1 geh. El) enthalten etwa 5mg Spermidin. Da Weizenkeime generell gesund sind, ist das die billigste und gleichzeitig gesündeste Möglichkeit seine Spermidinaufnahme zu steigern. Sie schmecken nussig-süß, man kann sie pur essen oder in Müsli etc. Sie enthalten nur geringe Mengen an Gluten.
Quercetin ist in Zwiebeln reichlich enthalten. Taurin ist eine Aminosäure, die der Körper selbst herstellen kann. In der Nahrung ist sie besonders in tierischen Quellen (also Fleisch, Fisch und Milchprodukten enthalten).
Q10 und NADH+ gibt es als Nahrungsergänzungsmittel. Die Q10-Spiegel sinken ab etwa dem 40. Lebensjahr kontinuierlich ab, was den Energiehaushalt verlangsamt.
Langfristigkeit
Wichtig bei allen Maßnahmen, egal ob Ernährung, Bewegung oder eben auch Nahrungsergänzungen ist, dass sie nur etwas bringen, wenn man sie dauerhaft ins Leben integriert. Wer 14 Tage lang joggt oder 14 Tage lang Spermidin nimmt, erreicht damit kaum etwas. Das zeigen alle Untersuchungen zu diesen Themen.
Lassen Sie sich diesbezüglich am besten von Ihrem Hausarzt, einem Heilpraktiker oder Ernährungsberater beraten.