Hilft uns der Nutri-Score bei gesunder Ernährung?
Mit dem Nutri-Score, der „Nährwert-Ampel“ sollte den Verbrauchern ein leicht zu nutzendes Mittel an die Hand gegeben werden, um zu erkennen, welche Nahrungsmittel gesünder oder ungesünder sind.
Dabei wird ein Punktesystem hinterlegt, das hauptsächlich Kalorien, Fettgehalt und Zuckergehalt beurteilt und danach eine Klassifizierung von A (gesund) bis E (ungesund) vornimmt. Ob ein Hersteller den Nutri-Score auf seinen Produkten angibt, ist freiwillig.
Klingt erstmal gut, aber, wievon vielen von Anfang an befürchtet, ist das Ganze nichts als ein Marketing-Tool für die Industrie geworden. Zum Einen werden hauptsächlich Fertigprodukte damit versehen, d.h. frische Lebensmittel sind da gar nicht dabei. Zum Zweiten reduziert man „gesund“ oder „ungesund“ auf den Fett-, Zucker- und Kaloriengehalt. Weitere wichtige Stoffe wie sekundäre Pflanzenstoffe, natürliche Vitamine und Mineralstoffe zählen nicht mit.
Das führt dann zu solch skurrilen Ergebnissen wie diesen: Ein Bio-Räucherlachs (ohne weitere Zutaten) bekommt ein „D“ (also ziemlich ungesund), ein Wildlachs-Fischstäbchen (also Fisch mit Panade, der ja auch noch in Fett gebraten werden müsste) ist dagegen mit „B“ recht gesund. Ein fertiger „Fruchtjogurt“ ohne Frucht, dafür aber mit Süßstoff und Aromastoffen ist gesünder als ein Naturjoghurt, dem man echte Früchte zugibt. Warum? Der „Fabrikjoghurt“ hat weniger Fett und keinen Zucker, während der Naturjoghurt einen höheren Fettgehalt hat – und die Früchte eben auch Zucker enthalten.
Die Konsequenz: Je mehr ein Lebensmittel industriell „designt“ ist, desto gesünder kann man es auf die Ampel „optimieren“. Lass Zucker weg, statt dessen Süßstoff rein, statt Fett gibt es Emulgatoren (die machen auch einen weichen Geschmack) und um die Kalorien runter zu bekommen, nimmt man einfach leere Füllstoffe (z.B. Zellulose). Und um das Ganze noch etwas aufzuhübschen, fügt man ein paar künstliche Vitamine bei. Und schon hat man das begehrte A oder B. Und Mutti hat ein gutes Gewissen, wenn sie ihren Kindern dann die „gesunden Frühstücksflocken“ kauft…
Das ist aber nicht der einzige Haken dabei: Die Ampel zeigt nämlich nur ein Lebensmittel im Vergleich zu anderen, der gleichen Art. Das bedeutet, das A auf der Pizza bedeutet nicht, dass Pizza besonders gesund sei, sondern nur, dass diese Pizza in der Kategorie Pizza mit A abgeschnitten hat. Ich vermute mal, die meisten Verbraucher wissen das nicht und denken dann: Mit Pizza tue ich meiner Gesundheit einen Gefallen. Statt des Bio-Räucherlachses von oben (D), sollte ich also lieber eine Tiefkühlpizza essen, weil die ein A hat. So hilft man nicht dabei, sich gesünder zu ernähren. Am gesündesten wäre es, möglichst wenig Fertigprodukte zu sich zu nehmen.
Der Ernährungscoach Ken hat zu diesem Thema ein gutes Video gemacht. Sehenswert: Nutri-Score
Bei solchen politischen Sturzgeburten fragt man sich unwillkürlich: Was bringt das Ministerium dazu, dass sie so etwas einführen? Zu einer gesünderen Ernährung trägt der Nutri-Score jedenfalls nicht bei, eher zum Gegenteil.