Kartoffel – Gift- oder Heilpflanze?
„Schön rötlich die Kartoffeln sind und weiß wie Alabaster,
sie däu’n sich lieblich und geschwind
und sind für Mann und Frau und Kind ein rechtes Magenpflaster.“
Matthias Claudius (deutscher Dichter)
Die Kartoffel ist in Deutschland sehr beliebt und auch als Heilpflanze bekannt. Wie die Kartoffel auf unsere Teller kam, welche Inhaltsstoffe sie auszeichnen, warum sie als Giftpflanze des Jahres 2022 benannt wurde und wie Sie die Kartoffel dennoch für Ihre Gesundheit nutzen können, erfahren Sie im folgenden Text.
Armeleuteessen oder Delikatesse?
Die Kartoffel, oder auch Erdapfel genannt, kam vor rund 500 Jahren aus Südamerika durch die spanischen Seefahrer nach Europa. Aber erst seit 300 Jahren ist sie als Lebensmittel akzeptiert. Damals wollte niemand eine Frucht aus dem Boden essen. Dies wurde mit dem Teufel gleichgesetzt.
Erste Funde lassen vermuten, dass die Kartoffel selbst ca. 13.000 Jahre alt ist und in Südamerika schon seit jeher auf dem Speiseplan stand. Obwohl anfangs verteufelt, war doch gerade sie es, die unter recht einfachen Bedingungen viele Menschen satt bekommen hat. Von der gut bürgerlichen Hausmannskost bis zum Sternerestaurant – sie hat heutzutage überall in die Herzen und Speisekarten einen festen Platz.
Es gibt immer wieder Diskussionen bzgl. ihres wirklichen Wertes für unsere Ernährung. Viele gute Inhaltsstoffe vs. Kohlenhydrate – wo macht man Abstriche? Meiner Meinung nach muss man die gar nicht machen. Denn wie in fast allem liegt die Wahrheit im Detail.
Die offensichtlich vorteilhaften Inhaltsstoffe:
- 80 % Wasser
- Vitamine (A, B-Komplex, K, E, C)
- Mineralien (Natrium, Kalium, Magnesium, Calcium, Mangan, Eisen, Kupfer, Zink, Phosphor, Selen)
- Eiweiße (gering, aber sehr gut bioverfügbar)
- Cholin, Acetylcholin (auch gering, aber gut fürs Gehirn)
Ihre angeblichen Nachteile sind die Kohlenhydrate. Hierzu ist zu sagen, dass es sich dabei um Stärke handelt, die nur sehr langsam verdaut wird und damit aus diätetischer Sicht ganz und gar nicht nachteilig ist. Mit nur 80 Kilokalorien/100 Gramm ist sie schon fast ein Fitnessgemüse. Durch die langsame Freisetzung der Kohlenhydrate stabilisiert die Kartoffel sogar den Blutzuckerspiegel, was für Diabetiker durchaus von Interesse ist.
Und sie hat noch einen weiteren Bonus – resistente Stärke
Haben Sie schon mal Kartoffeln vom Vortag verarbeitet und sich gewundert, dass beim Aufschneiden das Innere weißlich ist? Das war doch gestern noch nicht?
Tatsächlich hat sich in dieser Zeit ein chemischer Prozess abgespielt. Durch das Abkühlen und Stehenlassen entwickelt sich so genannte resistente Stärke. Diese kann von unseren Enzymen im Darm nicht aufgespalten werden, ist aber für unsere Darmbewohner im wahrsten Sinne des Wortes ein gefundenes Fressen. Sie können es, im Gegensatz zu uns, sehr gut verstoffwechseln und helfen uns damit, einen gesunden Darm zu erhalten.
Aber warum ist die Kartoffel dann die Giftpflanze 2022?
Der Titel Giftpflanze des Jahres verdankt sie ihren enthaltenen Alkaloiden, allen voran dem Solanin. Dieses befindet sich in den grünen Teilen der Kartoffelknolle, im Kraut und den Blüten. In ihren Wurzelknollen ist sehr wenig Solanin enthalten, so dass wir diese mit gutem Gewissen essen können. Achten Sie jedoch darauf, dass alle Triebe und grüne Stellen entfernt wurden, bevor Sie sie zubereiten.
Der hohe Solaningehalt kann sonst zu
- Völlegefühl,
- Übelkeit,
- Erbrechen,
- Durchfall,
- Benommenheit,
- und erschwertem Atem
führen.
Um solche Symptome durch das Gemüse zu erfahren, bedarf es allerdings ca. 5–6 Kilogramm roher Kartoffeln. Also ein eher unwahrscheinliches Szenario, vor allem weil wir sie eher selten roh essen. Ihr Titel aus dem Jahr 2022 sollte uns also vom weiteren Verzehr keinesfalls abbringen.
Gekocht? Gedünstet? Mit oder ohne Schale?
Fragen über Fragen, dabei ist die Antwort relativ einfach. Das Dünsten ist für alle Lebensmittel immer die schonendere Methode, da die wertvollen Inhaltsstoffe nicht so zahlreich zerstört oder ausgeschwemmt werden, wie beim klassischen Kochen in Wasser. Der einzige Nachteil ist, dass man durch die geringere Gartemperatur etwas mehr Zeit einplanen muss.
Auch die Schale sollte beim Garprozess an der Kartoffel belassen werden und erst danach entfernt werden. Die Inhaltsstoffe werden dadurch zusätzlich geschont. Also lieber kleine Kartoffeln wählen, dann geht es schneller.
Von der Vorratskammer in die Hausapotheke
Kartoffelsaft
Nur Wenigen ist heute noch die Tatsache bekannt, dass die Kartoffel auch als Heilmittel durchaus Qualitäten hat. Und die schönste Therapieform ist doch immer noch, sich gesund zu essen.
Kartoffelsaft wird schon seit Generationen angewendet bei:
- Übersäuerung des Magens,
- Sodbrennen,
- Gastritis,
- Leberstörungen,
- Gallensteinen,
- oder Verstopfung.
Der Presssaft wirkt:
- entzündungshemmend,
- wundheilungsfördernd,
- magensaftsekretionshemmend,
- und bindet Magensäure.
Dadurch schützt er die Magenschleimhaut.
50–100 Milliliter täglich auf nüchternen Magen eingenommen über 4–5 Wochen ist die übliche Dosierung.
Kartoffelsaft gibt es im Reformhaus und gut sortierten Drogerien sowie Apotheken. Er kann auch selbst hergestellt werden, indem Sie eine Kartoffel mit der Reibe zerkleinern und in ein Tuch geben. Den Saft auspressen, mit der zwei- bis dreifachen Menge Wasser verdünnen und trinken. Er muss immer frisch zubereitet werden.
Es gibt mittlerweile auch Tabletten mit getrocknetem Kartoffelpresssaft. Alternativ isst man eine rohe Kartoffel täglich, aufgeteilt auf mehrere Portionen.
Selbst eine Kartoffelsuppe oder ein Kartoffelsalat können dem Magen guttun. Hier sind nicht die Variationen mit Speck und Wurst bzw. Fleischsalat und Mayonnaise gemeint. Ein Salat sollte recht simpel mit Essig, Öl und vielleicht sauren Gurken zubereitet werden, die Suppe nur mit etwas Brühe.
Traditionsrezept für den gesunden Magen: Kükaleiwa – basenüberschüssiger Gemüsetrank
Zutaten:
- 1–2 EL Kümmel (oder Fenchel)
- 500 g Kartoffeln
- 1–2 EL Leinsamen
- 1 l Wasser (oder dünne Gemüsebrühe)
Zubereitung:
Alle Zutaten 20 Minuten kochen und dann abseihen. Die Kartoffelreste können gern als Essen weiterverwendet werden. Als Heilmittel dient der Sud.
Anwendung:
- 15–30 Minuten vor dem Frühstück und abends als Letztes eine Tasse warm trinken.
- Den Rest im Kühlschrank aufbewahren und über den Tag verteilt trinken – vorher anwärmen.
- 4–6 Wochen als Kur, danach gern als Morgengetränk beibehalten.
Kartoffelwickel
Auch ich kenne als Kind noch die Kartoffelauflage, die mir meine Mutter immer bei Bronchitis gemacht hat. Ich empfand sie immer als sehr wohltuend und hilfreich. Zudem kann sie arthrotische Beschwerden, Muskelschmerzen und Krämpfe lindern und ist damit vielseitig einsetzbar und schnell zubereitet.
Zubereitung:
- 500 g Kartoffeln mit Schale weich kochen
- in ein Geschirrtuch wickeln
- und dann zerdrücken, so dass eine 2–3 cm dicke Masse entsteht.
- Die aufgebrachte Masse sollte dem zu behandelnden Areal angepasst werden.
Achtung!
Kartoffelwickel sind sehr heiß. So warm wie möglich auflegen, aber es sollte angenehm sein. Straff mit einem Tuch umwickeln und fixieren. Der Wickel kann so lange liegen bleiben, wie es als angenehm empfunden wird. Danach mind. 20–30 Minuten nachruhen.
Er wirkt:
- wärmend,
- abschwellend,
- schmerzlindernd,
- muskelentspannend,
- entzündungshemmend,
- und sogar schlaffördernd.
Abschließend ist zu sagen, dass Kartoffeln immer im Haushalt vorrätig sein sollten, da sie uns die Gesundheit erhalten und die Krankheit schnell wieder vergehen lassen.
In diesem Sinne: Guten Appetit