Schlaf und Hormone – warum wir schlafen sollten und was wir eher nicht tun sollten
Schlafen? Schlafen! Habe ich dafür überhaupt Zeit? Schlafen wäre doch so einfach, wenn da nicht die Schlafprobleme wären. Einschlafen, durchschlafen, länger schlafen – das ging doch alles mal. Als Teenager oder junge Erwachsene waren wir kaum aus dem Bett zu bekommen – und jetzt? Der Schlaf kommt, wann er will oder nicht, und hat sein eigenes störrisches Dasein entwickelt. Berufliche Belastungen, Kleinkinder (eventuell mit im Bett), belastende Lebenssituationen, eine ungeeignete Matratze, das falsche Kopfkissen, die Wechseljahre, Hormone, Krankheiten – es gibt so vieles, was dazu führt, dass der Schlaf eben nicht mehr so selbstverständlich ist.

Epiphyse, Licht und Melatonin
In unserem Gehirn sitzt eine Hormondrüse, die das Schlafhormon Melatonin ausschüttet – die Epiphyse. Melatonin ist dafür verantwortlich, dass wir einschlafen und durchschlafen. Es wird produziert, sobald die Lichthelligkeit sinkt – wir sind also ursprünglich darauf programmiert, dass wir müde werden, wenn die Sonne schlafen geht. Melatonin wird kontinuierlich ausgeschüttet und begleitet uns durch alle Schlafphasen (Tiefschlaf, REM). Nachts, gegen 1:00 Uhr sollten wir den Höchststand erreichen. Ein zweiter Ausschüttungsanstieg erfolgt nachts gegen 04:00 Uhr und ermöglicht das Durchschlafen.
Zellgesundheit, Immunsystem und Somatotropin
Melatonin lässt uns jedoch nicht bloß schlafen – es stärkt das Immunsystem, indem es u. a. die NK-Zellen aktiviert. Im Schlaf wird ein weiteres Hormon, das Somatotropin, besonders aktiv – sein Freisetzungshoch liegt in den Tiefschlafphasen. Je weniger Tiefschlafphasen wir haben, desto weniger kann Somatotropin arbeiten.
Warum das ein Problem ist? Somatotropin ist an einigen extrem wichtigen Vorgängen im Körper beteiligt, etwa an:
- der Wundheilung,
- dem Zellwachstum
- und der Regeneration von Haut- und Körperzellen.
Zu wenig Schlaf lässt uns also u. a. deshalb schneller altern. Außerdem bedeutet zu wenig Schlaf – mit den zu kurzen Reparaturphasen – der Körper kann erforderliche Reparaturvorgänge nicht oder nicht vollständig durchführen; kann alte oder beschädigte Körperzellen nicht mehr “entsorgen” (medizinisch: Apoptose).
Der berühmte Stress und das Cortisol
Stress sorgt für eine hohe Cortisolausschüttung im Körper (genau in der Nebenniere) – und das auch nachts. Deshalb liegen wir nachts wach und fühlen uns unruhig, hibbelig und gestresst. Insbesondere, wenn wir uns dann noch an den Gedanken klammern, wenn wir jetzt nicht sofort einschlafen, haben wir gar keinen Schlaf mehr, ehe der Wecker klingelt. Dann lieber aufstehen, ein Gedicht verfassen, ein Buch lesen oder was einem sonst so gut tut, und danach wieder hinlegen.
Cortisol ist der Gegenspieler zu Melatonin. Wird Cortisol zu stark, kann Melatonin nicht mehr wirken. Wir sind hellwach. Doch auch zu wenig Cortisol hält uns wach. Wird Melatonin zu stark und Cortisol kann seinen Wirkeffekt nicht mehr auslösen, wachen wir ebenfalls auf, da der Körper Sorge hat, sonst überhaupt nie mehr wach zu werden. Die Einnahme von Melatonin kann in diesen Fällen also eher kontraproduktiv sein.
Progesteron ist ein Schlafmittel?
Auch Progesteron hat eine beruhigende, zuweilen sogar sehr starke Müdigkeit bringende Wirkung. Hohe Progesteronspiegel, wie z. B.bei einer Schwangerschaft, führen zur Müdigkeit. Wird bioidentisches Progesteron oral substituiert, wird der Schlafeffekt ebenfalls gefördert. Ein Progesteronmangel, wie er beispielsweise oft am Beginn der Wechseljahre entsteht, kann einen stundenlang Schäfchen zählen lassen, ohne dass wir schlafen könnten.
Die Schilddrüse und die Müdigkeit
Eine Überfunktion der Schilddrüse macht unruhig und kann zu Einschlaf- und Durchschlafstörungen führen. Dies kann eine Unterfunktion auch auslösen – allerdings findet man hier in den weitaus häufigeren Fällen starke Müdigkeit mit dem Problem, überhaupt in Gang zu kommen oder die Augen offen zu halten.
Einfache Strategien für zu Hause
Wir können einiges tun, bevor wir zu den verschiedenen verschreibungspflichtigen Schlafmitteln greifen, die schlimmstenfalls in eine Abhängigkeit führen. Natürlich gibt es pflanzliche Mittel wie z. B. Baldrian, Hopfen, Lavendel, Passionsblume oder Melisse, die unseren Einschlafprozess hilfreich unterstützen können. Alle diese Präparate regulieren jedoch im Prinzip unsere Stress-Antwort. Möglicherweise können wir hier ansetzen?
Sicher und fakt ist, das Leben ist nicht immer einfach. Nicht jeden Stress können wir vermeiden oder einfach abstellen, nicht alles in dem Maße lösen, wie wir es gerne hätten. Aber einiges liegt trotzdem in unserer Hand für eine bessere Schlafhygiene:
- Für genug Licht tagsüber sorgen – ja, wir dürfen das „große Licht“ benutzen, um richtig wach zu werden. Das gefällt nicht nur der Stimmung, sondern setzt auch klarere Impulse für die Epiphyse.
- Abends keine Nachrichten schauen, wenn wir darüber viel nachdenken. Im Bett weder mit dem Smartphone hantieren noch Filme oder Serien mit aufwühlenden Inhalten schauen – bzw. den Fernseher gleich ganz auslassen. Denn der Blaulichtanteil der Bildschirme macht uns wach.
- Entspannungsübungen wie Meditationen, Atemübungen oder auch Yoga regelmäßig, wenigstens zwei- bis dreimal pro Woche, durchführen.
- Ab dem Nachmittag kein Koffein mehr zu sich nehmen (kann cortisolähnlich wirken).
Und natürlich: Ist die Schlafstörung keine Frage der Resilienz oder Schlafhygiene (oder von Kleinkindern, die propellerartig im Bett der Eltern unterwegs sind und einen immer dann mit ihren Füßen treffen, während man gerade wegschlummert) ist es angezeigt, die zugrunde liegende hormonelle Dysbalance (Schilddrüse, Nebenniere, Gonaden …) herauszufinden. Denn alle Hormondrüsen interagieren auf die eine oder andere Art miteinander und mit allen Teilen des Körpers.
Bei Schlafstörungen ist es demnach erforderlich, eine umfassende Anamnese des Hormonsystems, der Ernährungsgewohnheiten, der individuellen Lebenssituation und vorhandener Medikationspläne zu erheben, um dann spezifisch zu therapieren. Wie so oft, ist auch hier ein ganzheitlicher Blick zielführend. Die phytotherapeutischen Schlafhelfer und die anderen oben genannten Tipps können uns dabei selbstverständlich begleiten und unterstützen.
Lassen Sie sich von einem Arzt oder Therapeuten untersuchen und beraten, bevor Sie zu Hormonen oder hormonhaltigen Pflanzen, Cremes oder ähnlichem greifen, um das komplexe und gleichzeitig sehr fein abgestimmte Zusammenspiel der Hormone in Balance zu halten oder bekommen.